INTERVIEW mit Philipp Kuhn

Herzlichen Glückwunsch zum Riesling-Champion, Herr Kuhn! Zum fünften Mal die beste Riesling-Kollektion in Deutschland, Chapeau! Was ist das Geheimnis dieses Erfolgs?
Philipp Kuhn: Das wüsste ich auch gern. Ich war selbst überrascht. Den Riesling-Preis gibt es mittlerweile seit zehn Jahren und wenn einer dann gleich fünfmal gewinnt, das ist ebenso erstaunlich wie überraschend, zumal die Creme de la Creme der deutschen Riesling-Erzeuger teilnimmt.  Ich nehme diese Auszeichnung dankend an und freue mich. Was das Geheimnis angeht, kann ich nur sagen, dass wir hier versuchen, unser Winzer-Handwerk so gut als möglich zu erledigen. Die entscheidenden Faktoren sind neben handwerklichem Geschick vor allem unsere sehr guten Weinlagen. Mein persönlicher Geschmack beim Riesling scheint offenbar auch vielen anderen Weintrinkern zu schmecken, vom Riesling-Freak bis zum Riesling-Beginner.
Dabei sind Sie ja kein ausgesprochener Riesling-Spezialist wie viele Winzer an der Mosel oder im Rheingau.
Philipp Kuhn: Nun ja, wer beständig so große Erfolge mit Riesling feiert, darf schon als Riesling- Spezialist bezeichnet werden. Immerhin ist ein Drittel unserer Fläche mit Riesling bestockt. In den vergangenen Jahren konnten wir immer wieder gute Flächen dazukaufen, was bei heutigen Preisen fast unmöglich wäre. Wir haben frühzeitig auf Riesling gesetzt und akribisch gearbeitet. Gerade die verloren gegangenen alten Laumersheimer Riesling-Lagen haben wir zu neuem Leben erweckt.
Welche Lagen bevorzugt der Riesling jetzt, wir befinden uns ja mitten im Klimawandel? Viele Winzer klagen, es sei dieser Rebsorte inzwischen zu warm geworden.
Philipp Kuhn: Die letzten vier zurückliegenden Jahre waren in der Tat sehr warm, aber der Riesling kommt damit relativ gut klar. Wir haben hier in der nördlichen Pfalz prägnante Kalkstein-Lagen, die passen nicht nur für die Burgunder-Sorten, sondern auch für den Riesling. Im Fußball würde man sagen, wir können links und rechts schießen. Kalkstein als das typische Gestein unserer Region ist multifunktional genial. So erzielen wir hochcharismatische, charaktervolle Weine bei Spätburgunder und Riesling. Das sind unsere beiden wichtigsten Standbeine. Die Säulen auf denen das Weingut Philipp Kuhn ruht und wofür es bekannt ist.
Welchen Riesling-Stil bevorzugen Sie? Manche mögen die betont rassig-elegante Art mit manchmal fast stahliger Säure, andere wollen es lieber etwas weicher und cremiger.
Philipp Kuhn: Unsere Rieslinge sind immer trocken und zwar meistens richtig trocken, also komplett durchgegoren. Quasi nackt wie die Natur sie schuf. Wir machen selten restsüße Rieslinge und wenn süß, dann aber richtig süß, um vor allem meine Schwiegermutter zufrieden zu stellen. Der Stil kommt vom Kalkstein, einem basischen Grundgestein, er gibt dem Riesling eine eher vollmundige, saftige Stilistik. Also: Die Weine sind durchgegoren und wirklich trocken, haben aber genügend Fülle, damit der trockene Charakter nicht aus dem Gleichgewicht gerät. Die enorme Dichte, ohne viel Alkohol, lässt unsere Rieslinge eher „burgundisch“ wirken. Das macht sie so einzigartig und unverwechselbar. – so würde ich unsere Rieslinge beschreiben.
Welches Lagerpotenzial besitzen diese Weine?
Philipp Kuhn: Wie lange die Weine beim Kunden liegen bleiben, hängt natürlich vom persönlichen Geschmack ab. Manche mögen’s ganz jung, andere lassen den Wein erstmal drei, vier Jahre liegen. Am Wochenende war ich auf einem Geburtstagfest, wo ein 2010er Riesling von uns ausgeschenkt wurde. Der war taufrisch. Unsere Rieslinge halten sich wunderbar, aber sie können auch schon als „Jungspund“ großes Vergnügen bereiten.
Hat der Riesling trotz der Klimaveränderung eine gute Zukunft in Deutschland?
Philipp Kuhn: Ich sehe das für den Riesling tiefenentspannt, obwohl die Klimaveränderung in der Tat wirklich besorgniserregend ist. Aber der Riesling bringt genug Säure mit, er ist nicht zu hoch im Alkohol, er adaptiert den Klimawandel bisher sehr gut. Und er wird im Ausland stark nachgefragt. Deutsche Winzer können mit Riesling glänzen und müssen nicht mit Allerwelts-Rebsorten wie Pinot Grigio oder Merlot im überlaufenden Weltweinmarkt konkurrieren. Riesling gedeiht hier in Deutschland am besten, Punkt. Dafür ist Deutschland bekannt und berühmt. Deutscher Riesling ist einzigartig in der Welt. Ich setze weiter auf die Königin der weißen Reben und deshalb wird unsere Rieslingfläche auch weiter zunehmen.
Einige Rieslinge entwickeln in besonders warmen Jahren zunehmend unangenehme Petroltöne. Was kann man im Laubmanagement dagegen tun?
Philipp Kuhn: Bisher sind bei unseren Rieslingen solche Petrolnoten nicht vorgekommen. Die Erträge sind sehr klein, die Weinberge bestens gepflegt und in einem ökologischen Gleichgewicht. So kommen solche durch Stress der Reben hervorgerufen Töne eher selten bis gar nicht vor. Dennoch erfordert die Weinbergarbeit viel Fingerspitzengefühl. Man muss den Vegetationsverlauf genau im Blick behalten. Wenn Du zu viel Blattwerk wegschneidest, kann sich das auf die spätere Qualität negativ auswirken. Wenn dann wochenlang die volle Sonne auf die Trauben brazzelt, dann wird es schwierig. Lässt du in manchen Jahren zu viele Blätter dran, kann das auch von großem Nachteil sein. Du musst die Natur und die Trauben immer beobachten. Du brauchst Gespür und auch ein wenig Glück.
Sollte man mit dem Riesling in kühlere Lagen ausweichen?
Philipp Kuhn: Das schadet sicher nicht. Das haben wir verschiedentlich schon gemacht, wir sind mit den Junganlagen auf Bergrücken gegangen, die etwas windoffener sind. Die ganz heißen Südlagen wollen wir den roten Trauben überlassen.
Dieses Jahr war es bisher deutlich kühler. Wird 2021 ein ideales Rieslingjahr mit knackiger Säure?
Philipp Kuhn: Das kann sein. Für uns wird es ein schwieriges Jahr. Wir hatten dreimal Hagel, die Erntemenge wird deutlich reduziert sein. Wir werden extrem viel Handarbeit leisten müssen, um die angeschlagenen Beeren raus zu picken. Aber es ist noch nichts verloren, wir lassen uns überraschen.
Durch die vielen Gewitter und die feuchte Witterung gab es dieses Jahr in vielen Regionen enormen Pilzdruck und viel falschen Mehltau – damit ist 2021 in jedem Fall ein herausfordernder Jahrgang?
Phillip Kuhn: Richtig. Da trennt sich mal wieder die Spreu vom Weizen. Es wird sicher nicht jeder Betrieb tolle Trauben ernten.
Herr Kuhn, der Riesling ist mit seiner Säure-Attacke zuweilen ein schwieriger Partner zu Tisch. Was ist Ihre liebste Mariage, was essen Sie besonders gern zu einer guten Flasche Kuhn-Riesling?
Phillip Kuhn: Wie vorhin bereits angesprochen, wir produzieren nicht diese extrem säurebetonten Rieslinge. Ein Riesling muss nicht, wie manche denken, nach Batterieflüssigkeit schmecken, das ist ein Irrglaube aus den 80er Jahren. Heute haben wir hier in der Pfalz vollreife Rieslinge aus niedrigen Erträgen mit fast burgundischem Charakter. Sie verleugnen ihre Herkunft nicht, sie haben das volle Riesling-Aroma, aber sie zwicken und beißen nicht. Ich trinke Riesling zu vielen Speisen, gereifte Weine können sogar üppige Fleischgerichte begleiten, auch mal ein geschmortes Kalbsbäckchen. Riesling trifft den Zeitgeist, er ist ein famoser Begleiter der leichten beschwingten Küche. Ich könnte Riesling auch schon zum Frühstück-Brötchen trinken.
Dann wünschen wir Ihnen eine erfolgreiche Lese und gutes Wetter bis dahin.
Philipp Kuhn: Ich möchte dieses Interview nicht beenden, ohne an die Winzer an der Ahr und die Jahrhundertflut zu erinnern.  Wir dürfen diese Kollegen nicht vergessen. Die Spendenaktion „Der Adler hilft“ läuft weiter und wir alle sollten den einen oder anderen Euro spenden. Die Leute haben es bitter nötig. Alles was wir dieses Jahr an Herausforderungen hatten – von Hagel bis Mehltau – das ist nichts gegen die Katastrophe, die die Winzer an der Ahr erlebt haben. Wir müssen helfen!

Das Interview führte der Berliner Journalist und Autor Manfred Kriener. Zuletzt ist von ihm der ernährungspolitische Spiegel-Bestseller „Leckerland ist abgebrannt“ erschienen.