17.07.2000 Tagesspiegel

 
DIE WEINE DES MONATS
Zwei Mal weiß, zwei Mal exemplarische Qualiät.
Erstens: Riesling. Jeder, der diese Rebsorte schätzt, weiß naürlich, wie er sich gute Abfüllungen beschafft. Doch das wissen auch unzählige andere Kenner, und so liegt der Preis erstklassiger Spätlesen inzwischen schon ab Gut bei mindestens 20 Mark. Den betreffenden Winzern sei es gegönnt; wir lassen uns davon aber nicht hindern, weiter nach günstigen Angeboten zu suchen. Zum Beispiel in den Staatsweingütern, von denen es allein in Rheinland-Pfalz sieben gibt. Sie stehen mit Ausnahme der Bensberger Staatsdomäne bei Fans nicht hoch im Kurs und werden in den Büchern zum Thema totgeschwiegen: Zu viel Bürokratie, zu wenig Weinverstand, heißt das landläufige Urteil. Dass das ein Vorurteil ist, beweist beispielsweise das staatliche Johannitergut in Mußbach/Pfalz, das älteste Weingut der Region, das über 20 Hektar erstklassiger Lagen in der südlichen Mittelhardt verfügt. Eine dieser Lagen ist der Hainfelder Letten,
von dem unser Weißwein des Monats stammt, eine klassische pfälzische, in der Opulenz fast schon elsässisch wirkende Spätlese (12,5 Prozent Alkohol) mit viel Pfirsich- und Apfelfrucht, knackiger Säure und einem angenehm mineralischen Nachhall. Ein Wein, den man gern einem der Pfälzer Spitzenerzeuger abkaufen und teuer bezahlen würde – doch das ist in diesem Fall nicht notwendig. Der 1998er Hainfelder Letten Riesling Spätlese trocken vom Staatsweingut mit Johannitergut ist bei der Kaufhof-Galeria am Alexanderplatz für 13,39 DM zu haben.
Zweitens: ein Prosecco, der auch dann schmeckt, wenn die Sommerabende weiterhin ausbleiben sollten. Kein Mensch weiß, woher all die Getränke namens Prosecco wirklich kommen, und dennoch werden sie in italienischen Restaurants umgesetzt wie verrückt. Manchmal, selten, bieten sie Genuss auf Champagner-Niveau, manchmal, öfter, schmecken sie nach eingeschlafenen Füßen. Unser Einkaufsvorschlag liegt entschieden mehr auf der Champagner-Seite, wenn es sich auch nur um einen geringer prickelden Prosecco Frizzante handelt,
der nicht der Sektsteuer unterliegt und deshalb relativ günstig angeboten wird. Was nicht mit billig zu verwechseln istDer Prosecco di Valdobbiadene vonDea-Rivalta kostet 13,80 DM bei derEnoteca Blanck & Weber in der Ludwigkirchstraße 20 in Wilmersdorf – und die ist er wert. Hinter dem nichtssagenden, nur für den Export genutzten Erzeugernamen verbirgt sich die höchst renommierte Kellerei Col Vetoraz, deren Önologe und Mitgesellschafter Loris dall’Acqua als einer der besten Prosecco-Spezialisten gilt. In der Region „konnte der Kellerei Col Vetoraz diesmal niemand das Wasser reichen“, heißt es im aktuellen Weinführer Gambero Rosso. Der Frizzante überzeugt durch Cremigkeit und feine Perlage, weit enfernt von der Laschheit vieler billiger, mit zusätzlicher Kohlensäure aufgemöbelter Prosecco-Abfüllungen. Hinzu kommt ein animierendes üppies Bukett mit Anklängen an Blüten und Haselnüsse und ein sauberes Finale.

Bernd Matthies

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